Auf großes Interesse stieß der Vortrag von Professor Uwe Swarat aus Berlin über die „Rechtfertigungslehre“ von Martin Luther und Philipp Melanchthon am 14. März im Melanchthonhaus Bretten. Der baptische Theologe sprach auf Einladung der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (EFG) Bretten im Rahmen der „Reformationsimpulse 2017“ der Evangelischen Allianz Bretten zum Gedächtnisjahr des Thesenanschlags in Wittenberg vor 500 Jahren. Die Gemeinden der Allianz haben damit den Reigen ihrer profilierten Impuls-Abende zum Reformationsjubiläum 2017 im Melanchthonhaus eröffnet, um das zentrale Anliegen des Reformators Martin Luther (1483-1546) öffentlich hervorzuheben.
Um was geht es bei der Rechtfertigungslehre Luthers
Auf wissenschaftlichem Niveau und doch auch für Nichttheologen verständlich legte Studienleiter Dr. Uwe Swarat, Professor für Systematische Theologie und Dogmengeschichte an der Theologischen Hochschule Elstal (Berlin) und Mitglied der Luther-Gesellschaft, per Powerpoint und mit schriftlichen Kernpunkten dar, was die theologische Basis evangelischer Lehre bei Martin Luther und Philipp Melanchthon ist, um was es in der „Rechtfertigungslehre“ eigentlich geht, nämlich die etwas komplizierte Aussage „dass ein Christ durch den Glauben freigesprochen ist von aller Sünde und dennoch der Macht der Sünde weiterhin ausgesetzt und darum Sünder bleibt.
Papst erstaunt mit dem Satz: „Ich bin Sünder und fehlbar“
Letzteres habe erstaunlicherweise auch Papst Franziskus in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ (März 2016) unterstrichen, in dem er der Idealisierung von Christen – auch der These der Sündlosigkeit – entgegengetreten sei und herausfordernd klar formuliert habe: „Ich bin Sünder und bin fehlbar.“ Swarat legte dar, wie Luthers nicht ganz einfache zu verstehende Rechtfertigung des Sünders durch die Briefe des Apostels Paulus biblisch bestätigt wird, jedoch im Lauf der Kirchengeschichte nicht nur im Katholizismus sondern auch im Protestantismus oft missverstanden wurde. Swarat sprach von einer „Rechtfertigung im doppelten Sinn“: dem Rechtsakt des göttlichen Richters, der mit seinem Freispruch zeige, dass er „dem Sünder die Sünde nicht anrechnet“, weil Christus für ihn eintritt, am Kreuz gleichsam die „Strafe“ übernommen habe. Auch Melanchthon lehre die Befreiung durch Christus von der „Macht der Sünde“ wie Luther, der den Zorn des gerechten Gottes über die Ungerechtigkeit ernst nahm, und von einem „wunderbaren Tausch“ spreche.
Freispruch von Schuld und geistliche Erneuerung gehören zusammen
Der Vorwurf, die Rechtfertigungslehre der Wittenberger sei auf halbem Weg stehen geblieben und von der Vergebung der Sünden nicht zur ethischen Erneuerung des Lebens weitergeschritten, treffe für Luther und Melanchthon nicht zu, betonte der renommierte Theologe. Luther Theologie überlasse den Christenmenschen nicht seinem alten Leben, für den Reformator sei die Rechtfertigung sowohl forensisch als auch effektiv: zur Gerechtsprechung gehört für ihn auch die Gerechtmachung, zum Freispruch auch die Verwandlung bzw. geistliche Erneuerung. Christus wohne durch den Glauben in der Herzen der Gläubigen und erneuere so allmählich ihr Denken und Handeln. Swarat: Ein Christ bleibt Sünder, wird aber als „gerecht vor Gott“ angesehen durch die ihm geschenkte Gnade, die Christus gebracht hat. In der Taufe werde sie persönlich zugesprochen und zum Vorzeichen des neuen Lebens.
Das Christenleben ist nicht vollkommen und bringt „Kampf“
Für den Baptisten Swara wird dies auch deutlich, wenn ein Täufling im Wasser untergetaucht wird. Der alte Mensch werde so symbolisch dahingegeben und auferstehe zu einem neuen Leben. Allerdings sei dieser neue Mensch nicht vollkommen. sondern entwickle sich allmählich wie eine Pflanze. Dass Christsein den „Kampf gegen die Sünde“ miteinschließt, verschwieg der 1955 in Celle geborene Systematiker seinen Zuhörern nicht. Auch Menschen ohne moralisches Versagen zählten Luther und Melanchthon zu den Sündern. Denn in der Tiefe jeden Herzens stecke egoistisches Begehren. Gute Werke seien für Melanchthon noch „befleckt von sündigem Stolz“ und blieben darum halbherzig, brächten „keinen Verdienst bei Gott“.
Rechtfertigungslehre befreit vom Druck, vollkommen zu sein
Der in Bretten geborene Universalgelehrte vermisste die brennende Liebe zu Gott bei vielen Christen und erinnerte mit seinem Freund Luther daran, dass die Rechtfertigung die ethische Erneuerung miteinschließt. Luther habe in seinen 95 Thesen von einer „täglichen Buße“ der Christen gesprochen, so Swarat. Eine einmalige „Bekehrungstaufe“ genügte ihm nicht. Tägliche Abkehr von der Sünde und Hinkehr zu Christus hätten beide Reformatoren der Gemeinde gepredigt. Ihre Rechtfertigungslehre befreie bis heute von dem Druck, als Christ vollkommen leben zu müssen, gab Swarat den ihm interessiert zuhörenden Besuchern mit auf den Weg. Ein „harter Kern“ von zahlreichen Personen diskutierte anschließend noch an Stehtischen bei Snacks und Getränken weiter mit dem Referenten bis zu später Stunde. Denn Swarat hatte bei ihnen zentrale Fragen ausgelöst.
Impuls-Abende zur Reformation finden großes Interesse
Ein weiterer Abend in dieser Impulsreihe der Ev. Allianz Bretten ist am 9. Mai mit Pfarrer Dr. Otto Wilhelm Hahn vom Theologischen Seminar Adelshofen, der von der Christusgemeinde Bretten (AB-Verband) eingeladen wurde und über „Die Wiederentdeckung des Evangeliums durch Martin Luther und deren Resonanz in seinen Liedern“ sprechen wird. Der Vorsitzende des Liebenzeller Gemeinschaftverbandes, Pfarrer Dr. Hartmut Schmid (Bad Liebenzell) hat am 26. September um 20 Uhr auf Einladung der Liebenzeller Gemeinschaft Bretten das Thema „Allein die Schrift – Aber wie soll man sie verstehen?“. Am 26. Oktober ist Professor Dr. Gottfried Gerner-Wolfhard aus Karlsruhe zu Gast in der Stiftskirche mit dem Thema „Die Reformation im Kraichgau“. Den Abschluss finden die Reformationsimpulse am 29. Oktober bei einem gemeinsamen Allianz-Gottesdienst. (mk)