Die Situation damals stellte sich so dar:
Hiskia war von ca. 725 – 697 v. Chr. ein frommer König von Juda (Südreich). In dieser Zeit eroberten und zerstörten die Assyrer das Nordreich und verschleppten große Teile der Bevölkerung. Die Assyrer verboten in den eroberten Gebieten der Bevölkerung ihre Religion, setzten fremde Menschen als deren Führer ein und verschleppten einflussreiche Menschen in andere Regionen ihres Reiches.
Dies alles stand auch Juda bevor, denn die Assyrer eroberten auch Juda und standen vor den Toren Jerusalems. Sie waren kurz davor, Hiskia und sein Volk genauso zu behandeln wie die anderen bereits eroberten Völker.
Da sich die Assyrer ihres Erfolgs gegenüber Juda sicher waren, machten sie Hiskia ein Angebot: wenn er sich offiziell ergebe, ließen sie die Judäer im Lande weiter leben. Der Haken dabei war: Die Assyrer würden dies so auslegen, dass ihre Götter stärker sind als der Gott Israels. Doch der gottesfürchtige König Hiskia entschied: lieber durch die Assyrer sterben, als seinem Gott untreu werden. Diese Entscheidung kam im Angesicht der absoluten Überlegenheit der Assyrer einem Todesurteil für ihn und seinem Volk gleich.
Doch das Wunder geschieht! Gott befreite Juda indem er durch einen Engel 185.000 assyrische Soldaten erschlagen ließ. Der Assyrerkönig Sanherib zog sich mit dem Rest seiner Männer zurück und stirbt durch die Intrige seiner Söhne. Das assyrische Reich zerfiel daraufhin.
Nach jahrelanger Gefahr und Zerstörung konnte Juda wieder nach und nach gemäß der Anordnung des Herrn aufgebaut werden. König Hiskia konnte nun seinem Volk zeigen, dass er nicht nur ein gottesfürchtiger Kriegsherr war, sondern auch ein planvoller Verwalter und Lenker seines Landes. Zur Vorsorge ließ er eine Wasserleitung durch Jerusalem bauen um die Trinkwasserversorgung dieser Stadt, auch während einer Belagerung, zu gewährleisten.
Privat wollte er nun eine Familie gründen und die Annehmlichkeiten einer friedlichen Zukunft genießen.
Doch in dieser Atmosphäre des Aufbruchs und der Hoffnung wurde Hiskia schwer krank. Der Prophet Jesaja teilte ihm mit, dass Gott ihm aufgetragen hat, dass er seine Angelegenheiten rasch regeln sollte, denn er würde an dieser Krankheit sterben.
Diese Nachricht traf Hiskia, wie wir uns denken können, mit voller Wucht. Als er sich von dieser Nachricht halbwegs erholte, erinnerte er seinem Gott, wie er ihm stets im Herzen und in der Tat treu war. Dabei weinte er sehr viel. Und ein weiteres Wunder geschah: Gott beauftragte Jesaja, Hiskia die Botschaft zu überbringen, dass er wieder gesund werde. Die Antwort Hiskia’s an Gott steht in Jesaja 38, 9-20 (Elberfelder):
9 Aufzeichnung Hiskias, des Königs von Juda, als er krank gewesen und von seiner Krankheit genesen war. 10 Ich sagte: In der Mitte meiner Tage soll ich hingehen zu den Pforten des Scheols. Ich bin beraubt des Restes meiner Jahre. 11 Ich sagte: Ich werde den Herrn nicht sehen, den Herrn im Land der Lebendigen, auch nicht Menschen mehr erblicken bei den Bewohnern des Totenreiches. 12 Meine Hütte ist abgebrochen und wurde von mir weggenommen wie ein Hirtenzelt. Wie ein Weber habe ich mein Leben zu Ende gewebt: Vom Kettgarn schnitt er mich los. Vom Tag bis zur Nacht wirst du ein Ende mit mir machen! 13 Ich schrie um Hilfe bis zum Morgen, ⟨aber⟩ wie ein Löwe, so zerbrach er alle meine Gebeine. Vom Tag bis zur Nacht wirst du ein Ende mit mir machen! 14 Wie eine Schwalbe, eine Drossel, so zwitscherte ich, ich gurrte wie die Taube. Verschmachtend ⟨blickten⟩ meine Augen zur Höhe: Herr, ich bin in Bedrängnis! Tritt als Bürge für mich ein! 15 Was soll ich reden, nachdem er zu mir gesprochen und es selbst ausgeführt hat? Ich will ⟨dich⟩ loben alle meine Jahre trotz der Bitternis meiner Seele, 16 Herr! ⟨Ich will dich loben⟩ wegen derer, die leben, und für alles, worin mein Geist lebt. Und du machst mich gesund und erhältst mich am Leben. 17 Siehe, zum Heil wurde mir bitteres Leid: Du, du hast liebevoll meine Seele von der Grube der Vernichtung zurückgehalten, denn alle meine Sünden hast du hinter deinen Rücken geworfen. 18 Denn der Scheol preist dich nicht, der Tod lobsingt dir ⟨nicht⟩; die in die Grube hinabgefahren sind, hoffen nicht auf deine Treue. 19 Der Lebende, der Lebende, der preist dich, wie heute ich: Der Vater erzählt den Kindern von deiner Treue. 20 Der HERR ⟨war bereit⟩, mich zu retten. Und wir wollen das Saitenspiel erklingen lassen alle Tage unseres Lebens im Haus des HERRN.
Bemerkenswert an diesem Gebet/Psalm Hiskia’s ist, dass er nach der guten Nachricht von Jesaja erst mal keine Gott lobende Gedanken äußerte. Erst am Schluss versprach Hiskia, dass er noch loben will. Offensichtlich stand Hiskia noch so unter Schock, dass er vordergründig vorrangig an die Endlichkeit seines Lebens dachte. Und dass in der Mitte seines Lebens. Und am Anfang eines Neustarts in eine schöne Zukunft. Damals war das geistliche Denken davon geprägt, dass es kein Leben nach dem Tod gab (V10-11). Nur der Scheol, das Totenreich, sammelte die Verstorbene.
Hiskia beschrieb die Tatsache, dass ein Mensch viel zu früh aus dem Leben gerissen wird, in verschiedenen Bildern: das Abbrechen eines Hirtenzeltes, das Kappen des Garns beim Weben und das plötzliche Sterben durch einen Happs eines auf der Lauer liegenden hungrigen Löwens.
Er, der seinem Gott vor der Übermacht der Feinde und im Angesicht des Todes, treu blieb, sollte nun am Beginn eines neuen Zeitalters seines Volkes einfach so sterben? Warum darf er nun nicht einfach leben und mit seinen Qualitäten seinem Volk dienen?
Doch Hiskia bekommt auf seine Fragen von Gott keine Antwort. Auch nicht von wohlmeinenden Menschen.
Deshalb machte Hiskia das Einzigste was ihm noch blieb: er wendete sich direkt an Gott. Er lag ihm lang andauernd in den Ohren, wie es durch das Bild der gurrenden Tauben symbolisiert ist: Tauben können den ganzen Tag gurren ohne Pause. In seiner Not war es ihm egal, wie nervig er auf Gott wirkte. Denn er wusste, dass nur Gott ihm helfen kann. Und Gott reagierte. Er sagte ihm durch Jesaja seine Hilfe zu.
Wie reagierte Hiskia?
Er blieb erst einmal noch in den düsteren Gedanken seines drohenden Todes hängen. Er schmeckte noch ganz stark die Bitterkeit seines Herzens und seines Denkens obwohl er schon das Licht am Horizont sah, dass ihm Gott verheißen hatte.
Das Wort der Bitternis in V15 und 17 ist das selbe Wort wie in 2. Mose 15, als die Israeliten mit viel Durst während ihrer Wüstenwanderung von Ägypten nach hause an einen Teich kamen, der Mara hieß: bitteres Wasser. Doch Gott hatte eine Lösung: Mose soll ein Holz hineinwerfen, damit das Wasser süß werde und die Menschen trinken konnten. Mit diesem Wunder zeigte Gott seine Liebe und Güte für sein Volk. Zusätzlich malte er schon damals ein Bild für die Erlösung durch die Passion Jesu.
Doch wie bis heute viele Menschen immer noch skeptisch und misstrauisch über Gott denken, so auch die Israeliten damals. Gott stillte ihren Durst, doch murrten sie bald wieder. Da ließ Gott täglich Manna vom Himmel fallen. Aber die Erfahrung des Verdurstens und Verhungerns stak so tief in ihren Herzen, dass sie mehr als den Tagesbedarf in ihre Taschen steckten. Diese Übermenge verrottete dann, damit sie lernten, Gott gibt täglich was nötig ist.
Zurück zu Hiskia. Hiskia erkannte, dass Gott auch in seiner Not an seiner Seite steht. Dass Gott sieht, hört und reagiert. Dass Gott nicht nur seinen Körper heilt, sondern auch seine bittere Seele verwandeln kann, weil er sowohl die Bitternis als auch die Sünde der Menschen hinter sich wirft.
Doch dieser Erkenntnis folgt erst mal ein langsamer Prozess im Herzen von Hiskia. Er erkannte, trotz Gottes Beistand ist Bitternis im Herzen möglich. Diese Bitternis kann einem lange Zeit das Leben schwer machen. Doch Gott begleitet uns. Er ist viel geduldiger als wir. Er freut sich über unsere persönliche Entwicklung, auch wenn sie uns zu langsam vorkommt. Schließlich kann dann Hiskia im vertrauensvollem Blick auf den Herrn, von der Treue seines Herrn, auch seinen Kindern erzählen und Loblieder erklingen lassen (V19+20).
Markus Belzer
März 2021