Alle Radfahrer haben es schon einmal erlebt: nach einigen entspannten Kilometern mit Rückenwind ändert sich entweder die Fahrstrecke oder der Wind dreht sich und bläst einem mächtig ins Gesicht. Zuerst nimmt man es sportlich. Doch bald denkt man pragmatisch und nach einer halben Stunde wünscht man sich sehnlichst ans Ziel der Tour um diesem fiesen Wind nicht mehr zu spüren.
Radeln mit Gegenwind, dass sollte die Ausnahme sein.
In unserem christlichen Alltagsleben bläst uns immer wieder der Wind ins Gesicht. Je nachdem in welchem Umfeld wir leben, auf unterschiedliche Weise. Unser Alter, unser privates und berufliches Umfeld, unsere familiäre Situation, unser Geschlecht, unsere psychische Veranlagung, unsere Rolle in der Gemeinde, unsere theologische Prägung und vieles andere wirken sich auf das Empfinden von Gegenwind unterschiedlich aus.
Obwohl Widerstand sehr individuell empfunden wird, stellen wir doch leicht fest, dass Widerstand gegen Christen nicht nur vereinzelt passiert, sondern auch systematisch gegen Christen vollzogen wird. Wer sich darüber näher informieren will, kann die Veröffentlichungen von Open Doors anschauen. Doch nicht nur im entfernten Ausland stehen die Christen im Gegenwind, sondern auch hier in Deutschland.
Wenn wir den gesellschaftlichen Wandel der letzten rund 100 Jahren beobachten, stellen wir fest, dass, lediglich im 2. Weltkrieg etwas unterbrochen, die Entwicklung in der Ethik große Umbrüche im Denken und Handeln vollbracht haben: das Töten ungeborener Menschen geschieht nahezu ungebremst und ohne Aufschrei. Sterbehilfe soll immer alltäglicher und unspektakulärer werden. Die christliche Haltung dazu verhallt immer mehr. Ebenso ist ein schlichter Satz wie: „Die von Gott geschenkte Sexualität zwischen einem Mann und einer Frau soll innerhalb der Ehe gelebt werden“ längst nicht mehr mehrheitsfähig. Wie Familie gelebt wird und welche Erziehungsziele angestrebt werden, sind der Beliebigkeit ausgesetzt. Egoismus und Maßlosigkeit beherrschen das Denken und Handeln von sehr vielen Menschen.
Konträr dazu wirkt der christliche Glaube an einen Schöpfergott, wie wir es im Glaubensbekenntnis der Welt zurufen und einem Gott, der die Geschichte lenkt, wie aus der Zeit gefallen.
Da ist die Versuchung nahe, sich auf eine christliche Scholle zurückzuziehen um nicht mehr dem säkularen Gegenwind ausgeliefert zu sein.
Doch schnell merkt man, dass in der christlichen Welt auch nicht alles Gold ist was glänzt. Die Uneinigkeit innerhalb der christlichen Gemeinschaft ist spätestens mit der Reformation ans Licht getreten.
Um mit dem Bild eines Nordseedeiches über das Wort Gottes zu sprechen, können wir feststellen, dass der Deich an Höhe abgenommen hat. Teilweise sind auch Risse im Deich aufgetreten. Humanitäres Sicherheitsdenken wertet den Deich als
nicht mehr so relevant ein. Denn es gibt neue Erkenntnisse und neue Wahrheiten, die als Ersatzdeiche dienen:
Da gibt es die allgemeine Sichtweise auf gesellschaftliche Bereiche, die die biblische Sicht ersetzen. Mit der Begründung: alle machen es, dann kann es so falsch nicht sein.
Oder wir folgen der vernünftigen Denkweise. Was im Einzelnen vernünftig ist, wird oft nicht hinterfragt, sondern aus Bequemlichkeit übernommen.
Ein weiterer Ersatzdeich ist die Erfahrung. Außerbiblische Lebensweisen funktionieren angeblich auch ganz gut.
Oder die Gleichgültigkeit: so lebt man eben heute.
Im christlichen Bereich will man den vorhandenen Deich erhöhen, indem man Synodenbeschlüsse verfasst. Ändert sich die Situation, wird ein neuer Beschluss gefasst und der alte ist nicht mehr gültig. Die Frage der verlässlichen, dauerhaften Deicherhöhung bleibt.
Bei genauerem Hinsehen merkt man schnell: die Ersatzdeiche halten den Lebensstürmen nicht stand. Der Rat von Psychiater, Psychologen und Seelsorger wird immer öfters benötigt.
Doch die Reaktionen auf die unterschiedlichen Gegenwinde und deren Eindämmung können, vor allem bei Christen, auch andere sein:
a) Die Verdrängung der Umstände unter denen wir leiden
b) wir schließen mit unserem Gewissen und der Umwelt einen Kompromiss
c) wir ziehen uns zurück, schotten uns ab
d) relativieren das Wort Gottes, lassen menschliche Werte gleichberechtigt parallel gelten.
Wir Christen richten uns mit irgendeiner Reaktion auf die neuen gesellschafts- politischen Bedingungen ein.
Doch ein schales Gefühl bleibt. Soll es das nun sein? Oder gibt es eine bessere Perspektive für die Zukunft? Ist unsere jetzige Situation eine Ausnahmesituation und wir müssen nur noch ein wenig ausharren bis es wieder normal wird? Gibt es für all den Gegenwind für uns Christen einen Königsweg, den wir gehen können? Hat etwa unsere alte Bibel hilfreiche Antworten, wie wir heute als Christen mit all dem vielfältigen Kontra umgehen können?
Die gute Nachricht: ja, die Bibel gibt uns Antworten, die aktuell umgesetzt werden können! Denn beim Lesen der Bibel stellen wir schnell fest, dass die Heilsgeschichte des Gottesvolkes eine Geschichte des Widerstands und des Gegenwinds ist und wie Gott sein Volk und Gemeinde dabei unterstützt, durchzukommen.
Ein Beispiel hierzu ist die Berufung Abrams und seinem Weg nach Kanaan (1. Mose 12, 1-9):
Gott rief Abram aus seiner Heimat, in der er stark verwurzelt war, heraus, um ein Fremdling in einem ganz anderen Land zu sein. Dieses neue Land versprach Gott Abrams Nachkommen als Besitz. Dort angekommen, stellte er fest, es ist bereits besiedelt. Und die Menschen hatten ihre eigene Kultur und Gotteskult. Aus Abrams Sicht hatte Gott einen Gegenwind nach dem anderen auf Abrams Gesicht geblasen. Was machte nun Abram als er sein neues Land besichtigte? Er baute Altäre für seinen Gott. Er ließ die bisherigen Bewohner, die Kanaaiter, in Ruhe und baute in Sichtweite von deren Tempeln Altäre für seinen Gott. Abram war lediglich mit seiner Familie und der Familie von seinem Neffen Lot in diesem fremden Land unterwegs. Aus Sicht der Einheimischen, den Kanaaitern, waren diese beiden Familien a) Fremdlinge, b) eine Minigruppe mit anderem Glauben, c) ohne Bürgerrechte. Doch Gott segnete Abram/Abraham und seine Nachkommen vielfältig.
Was lernen wir daraus? Der Glaubende an Jesus Christus, seinen Vater und dem heiligen Geist befindet sich in der Minderheit auf dieser Welt. Wer diesen Glauben lebt, lebt im Dissens zur Gesellschaft, im Bruch, im Riss, in Konfrontation, in einer anderen geistige Systematik. Und dies ändert sich nicht. Die Bibel berichtet nicht davon, dass Christen jemals die Mehrheit bilden werden. Doch Gott kümmert sich liebevoll um jeden Einzelnen.
Ein weiteres Beispiel: die Jesus-Biografie
Jesus war fast immer mit seiner Meinung in der Minderheit und hat es uns vorgelebt.
Wie Fremde, wie Schafe unter Wölfe, wie Einzelkämpfer/Soldaten im Verteidigungskrieg, wie Pilger ohne Bürgerrechte werden seine Nachfolger bezeichnet.
Jesus-Nachfolger laufen auf dem schmalen Weg, sind die anders Denkenden, passen nicht in die geltende gesellschaftliche Norm. Nicht ausnahmsweise, sondern grundsätzlich.
Welche Erkenntnis ziehe ich aus diesen Fakten?
Wenn ich in der Spur von Jesus Christus unterwegs bin, gehören alle biblischen Prophezeiungen zu diesem Lebensweg auch zu meinem Lebensweg dazu. Und ich tue gut daran, dies als gegeben zu akzeptieren und nicht als Ausnahme einzustufen. Ich muss also nicht ständig gegen diese Widrigkeiten des Lebens ankämpfen. Es macht keinen Sinn.
So wie es keinen Sinn macht, gegen das Älterwerden anzukämpfen.
Welche Hilfen bietet mir nun Jesus an, wenn ich mit ihm auf diesem nicht leichten Weg unterwegs bin?
Da bietet Jesus ein ganzes Füllhorn an Hilfen an:
1. Als Basis und ständigem Nachschlagewerk dient sein Wort, dass wir überwiegend über das Lesen in der Bibel als ständige Wegzehrung aufnehmen können und sollen.
2. Wenn wir mit anderen über Gott reden, sollen wir sein Wort klar bezeugen und wiedergeben.
3. Training, Training, Training. Jeden Tag nach seinem Wort leben.
4. mit anderen Jesus-Nachfolgern gemeinsam beten, gemeinsam Gottesdienste feiern, gemeinsam Leben (Dietrich Bonhoeffer hat hierzu ein sehr gutes Buch geschrieben: Gemeinsames Leben. Darin beschreibt er leicht lesbar und sehr praktisch anwendbar über christliches Leben in Gemeinschaft)
5. wenn wir vom Dauer-Gegenwind fast nicht mehr können, dann dürfen und sollen, ja müssen wir uns von Jesus ganz viel Liebe schenken lassen. Denn ohne diese göttliche Liebe geht nichts!
6. wir dürfen uns an Vorbilder orientieren. Diese Vorbilder müssen nicht perfekt sein. Wichtig ist, dass ihr Herz für Jesus schlägt. In diesem Sinn sind wir selbst oft gleichzeitig auch Vorbilder für andere, manchmal ohne es zu wissen.
7. Unsere Erwartungen an das Mögliche koppeln. Wenn wir im Herbst Frühlings- blumen am Wegesrand pflücken wollen, werden wir enttäuscht werden.
8. wir dürfen und sollen zuversichtlich sein, denn Jesus sagte sehr oft: Fürchte dich nicht! Ja, in der Welt habt ihr Angst, doch ich habe die Welt überwunden, sagte Jesus. Und: Fürchte dich nicht!
9. Gemeinschaft mit Jesus pflegen. Üben, auf seine Worte, auf seine Impulse zu hören, zu reagieren. Jesus will unser Hirte sein.
10. Als Kinder Gottes haben wir stets die Hoffnung bald nach Hause zu unserem himmlischen Vater kommen zu dürfen. Nicht der Gegenwind, nicht der Widerstand ist unser Ziel, sondern ins Angesicht Gottes zu treten. Unsere Hoffnung ist nicht irdische Vergänglichkeit sondern himmlische Ewigkeit!
Markus Belzer
Oberderdingen, im August 2021