BRETTEN. Der Vortrag „Schalom im Nahen Osten?“ des bekannten Theologe Johannes Gerloff (Jerusalem) am 27. Oktober im Bibelforum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (EFG) Bretten fand große Resonanz Anlass war das im Spätsommer überraschend abgeschlossenen „Normalisierungsabkommen“ Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Referent konnte aufgrund der aktuellen Corona-Situation nicht aus Israel ausreisen und übermittelte seinen Vortrag per Livestream. Die hochinteressanten und auch biblisch-theologisch belegten Aussagen Gerloffs, die per YouTube der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, fanden große Beachtung. „Israel ist die größte Bedrohung im Nahen Osten“, wolle Irans Präsident Hassan Ruhani die Welt überzeugen, so Gerloff. Er erhofft sich mit seinen anti-israelischen Äußerungen aber vor allem Pluspunkte in der islamisch- arabischen Welt, die er dringend nötig habe. Denn das Mullah-Regime sei eine der bestgehassten Größen. Israel werde die Vernichtung angedroht. Dankbar habe man darum das im Spätsommer überraschend zustande gekommene „Normalisierungs-Abkommen“ mit den Vereinigten Arabischen Emiraten angenommen. Auch Bahrain sei mit auf den Zug aufgesprungen – ein nicht nur politischer Schachzug mit wirtschaftlichen Vorteilen. Der gemeinsame Feind Iran spielte eine entscheidende Rolle, so Gerloff, dessen erfrischend-lebendig, anschaulich und verständlich vorgetragene Ausführungen inzwischen weit mehr als 600 Personen in der Region Bretten und darüber hinaus über die EFG-Homepage (www.efg-bretten.de) gesehen haben.
Der Theologe Johannes Gerloff, Jahrgang 1963, ist ein fundierter Kenner des Nahen Ostens, wo er auch als Journalist tätig ist. Der im Nordschwarzwald aufgewachsene Schwabe lebt seit 1994 mit seiner Familie in Jerusalem und ist nicht nur kundiger Referent für Vorträge, sondern wirkt als Nahostkorrespondent für Medien im deutschsprachigen Raum. Der Kenner Israels und des Judentums hat auch mehrfach die palästinensischen Gebiete und die Nachbarländer Israels bereist und mit Menschen unterschiedlicher Prägung und Kultur gesprochen. In seinem Vortrag für die Melanchthonstadt Bretten wies Gerloff besonders auf das hebräische Wort „Schalom“ in Psalm 122 hin und sagte: Wer für den Frieden Jerusalems bete (vgl. Psalm 122, Vers 6), der sollte sich eigentlich nicht wundern, wenn Israel Friedensverträge schließe. Vieles hänge davon ab, was man unter „Frieden“ verstehe, bewusst oder unbewusst? Das hebräische Wort Schalom komme von „Schalem“, was so viel wie „vollkommen“, „ganz“, „umfassend“, „unversehrt“ bedeute. Schalom habe nichts mit Friedhofsfrieden zu tun, was die „Pax Romana“ gewesen sei. Einst habe es geheißen: Ein unterworfenes Volk sei jetzt „befriedet“. Das habe vielfach Friedensvorstellungen geprägt, ganz entscheidend im Islam.
Schalom habe nicht viel mit dem englischen „Peace“ (Frieden) zu tun, betonte Gerloff. Das Wort klinge genau wie „Piece“ (englisch: Stück, Teil). Doch Schalom werde man per Definition nicht erreichen, wenn man Stücke mache, Menschen voneinander trenne, Grenzen baue und ein Land zerstückele. Der biblische Gott wolle, dass Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit einander ergänzten, in der Unterschiedlichkeit zusammenlebten. Beim Schalom Gottes geht es also um ein fröhliches Zusammenleben. Per Definition ist Schalom nicht nur auf einen geistlichen Bereich begrenzt. Schalom kann nicht auf das Jenseits gewissermaßen aufgeschoben werden. Der Schöpfer höre auch das Seufzen der Schöpfung (Römer 8). Er liebe die Welt (Johannes 3). Christen und Juden warteten darauf, dass er alles neu mache (Letztes Buch der Bibel: Offenbarung 21). Bei Schalom geht es weniger ums „selige Sterben“, als um das fröhliche Zusammenleben. Den Schalom Jerusalems sieht Gerloff verbunden der Hoffnung auf Auferstehung von den Toten. Der Unterschied zu unserem europäischen Wort „Frieden“ könne kaum größer sein. Dass mit dem offiziellen Reden der Israelis und den Emiratis jetzt der Frieden in Nahost anbreche, glaubt der Theologe nicht. Bewusst sei nur von „Normalisierung“ der Beziehungen die Rede.
Wie weit Frieden zwischen einer islamistisch-totalitären (wie den Vereinigten Arabischen Emiraten) und einer demokratisch-freiheitlich Gesellschaft (in Israel) möglich werde, müsse abgewartet werden. Der Unterschied zwischen dem Land am östlichen Mittelmeerrand und dem „Arabischen Golf“ bzw. „Persischen Golf“ könne kaum größer sein. Doch die arabischen Führer wollten sich von einer Bürde befreien und bräuchten auch Israel für ihr Überleben am Ende des Ölreichtums. Die arabischen Führer hätten es schlicht satt, eine Geisel überzogener palästinensischer Erwartungen und extremistischer Mullahs in Teheran zu sein.
Martin Kugele, Oktober 2020
(Bild: Perry Trotter Photography)